„Hamburg ist die koloniale Metropole Deutschlands“, so Prof. Dr. Jürgen Zimmerer im Interview für die Deutschlandfunk-Sendung ‚Länderreport‘. Die Prägung durch Kolonialhandel, Hafen und Kaufleute bedinge viele Besonderheiten der Stadt wie die späte Universitätsgründung mit dem Kolonialinstitut als Vorgängerinstitution. Die Scharnierfunktion zwischen dem kolonial geprägten globalen Handel und dem deutschen Hinterland bedeutete einen großen Einfluss von kolonialen Akteuren aus der Stadt: Der Afrika-Kaufmann und Reeder Adolph Woermann beeinflusste etwa Bismarck erfolgreich, dass das Deutsche Reich Kolonialmacht werden sollte: „Als Folge davon tritt Deutschland in den Kreis der Kolonialmächte ein, ganz mit den Problemen und der Gewalt, die man eben kennt – bis zum Genozid an den Herero und Nama.“

Ein weiteres Beispiel für koloniale Verbindungen Hamburger Kaufleute war die im Südseehandel aktive Firma Godeffroy. Die zugleich durch Godeffroy angelegten ethnologischen und naturkundlichen Sammlungen bildeten den Grundstock für verschiedene Museen der Stadt. Zimmerer betont durch die Verbindung zum gerade in Planung befindlichen Evolutioneum, das diese Bestände nutzen soll, die Relevanz für heutige Fragen. Ein weiteres aktuelles Museumsprojekt, das Hafenmuseum, müsse ebenfalls den Kolonialismus berücksichtigen und dafür möglichst internationale Beteiligung sicherstellen. Weitere Hamburger Institutionen wie die Handelskammer hätten sich bereits im Rahmen der mit der Forschungsstelle ‚Hamburgs (post-)koloniales Erbe‘ durchgeführten ‚Hamburg’s Postcolonial Lecture‘ zu einer Aufarbeitung entschlossen. In diesen Beispielen zeige sich der Gegenwartsbezug der Dekolonisierung, die in einem größeren Maßstab etwa auch den Umgang mit der Klimakrise und die heutigen internationalen Handelsbeziehungen betreffe.

Zum Interview: https://www.deutschlandfunkkultur.de/geschichte-einer-hansestadt-hamburg-ist-die-koloniale.1001.de.html?dram:article_id=470797