Von Tania Mancheno (Hamburg)

Ab dem 25. Mai 2017 wird der Hamburgische Hafen zur Theaterbühne: Das global ausgerichtete Festival  „Theater der Welt“ kommt nach Hamburg. In den nächsten Wochen werden Theaterproduktionen aus mehr als 40 unterschiedlichen Ländern die Stadt bezaubern, wodurch die Hafencity sich endgültig und weltweit auch als das Kulturzentrum von Hamburg positionieren wird.

1989 wurde „Theater der Welt“ das letzte Mal hier ausgerichtet, doch zum ersten Mal in der Geschichte des Festivals wird das Festival durch lokale Akteurinnen und Akteure kuratiert: In Kooperation des Thalia Theaters mit Kampnagel arbeiteten Amelie Deuflhard, Sandra Küpper, Joachim Lux und András Siebold seit mehr als einem Jahr an einem vielfältigen Programm, in dessen Zentrum der Hafen steht: Der Hafen steht für Bühne, Festivalzentrale, Begegnungs- und Reflexionsort, als Ausgangsort und Denkfigur.

Die Eröffnungsrede am 25. Mai findet allerdings nicht am Hafen, sondern auf der Hauptbühne des Thalia Theaters statt. Als Ehrengast für die Aufgabe der Eröffnung wurde Prof. Dr. Achille Mbembe eingeladen: Der englische Titel seines Vortrages für die Festivaleröffnung lautet „Democracy, Mobility and Circulation in a Planetary Age: An Ethics of Consequences“.

Sandra Küpper: „Er wird an unsere gemeinsame planetarische Verantwortung erinnern, die wir tragen müssen, wenn wir weiterhin zusammen auf der Erde leben wollen.“

Der Philosoph und Theoretiker studierte in Kamerun (Universität Yaoundé), promovierte in den 1990er-Jahren in Frankreich (Universität Paris 1 Panthéon-Sorbonne) und lehrte als Gastprofessor an verschiedenen Universitäten in den Vereinigten Staaten. Heute ist er Professor für Geschichte und Politik in Johannesburg, und ein begehrter Redner.

 

Foto: Achillle Mbembe, ©Yves Krier

 

Auf meine Frage, was sie bewegte, Mbembe nach Hamburg einzuladen, antwortete Sandra Küpper: „Achille Mbembe war mein absoluter Wunschredner für die Eröffnung von Theater der Welt 2017 in Hamburg, nicht nur, weil er einer der wichtigsten Denker unserer Zeit im Kontext des Diskurses über den Postkolonialismus ist. Der kamerunische Intellektuelle hat mit seinen Schriften über den Begriff des Afropolitanismus neue Denkanstöße in der Wahrnehmung der afrikanischen Geschichte und Gegenwart geschaffen und ein Bewusstsein für die Vielfältigkeit der afrikanischen Kultur geschärft.“[1]

An deutschen Universitäten ist die Arbeit Mbembes nicht besonders bekannt. Seine Rede im Thalia Theater bietet demnach eine gute Gelegenheit, dies zu ändern. Es ist nicht nur eine Gelegenheit, sondern auch Zeit, dass Europa von Afrikanischen Denkerinnen und Denkern lernt.

In Kamerun, Tansania und Frankreich sind Mbembes Werk und dessen Rezeption nicht nur auf der akademischen Ebene bekannt: Er veröffentlicht regelmäßig in Le Monde Diplomatique und gründete die Zeitschrift Politique Africaine. Ein Blick auf seinen akademischen Werdegang zeigt, dass – wie im Fall der weltweit bekannten postkolonialen Theoretikerin Gayatri Chakravorty Spivak (Columbia) – die Intellektuellen des sogenannten globalen Südens Theorie und politische Praxis nicht zu trennen versuchen.

Sandra Küpper: „Der kamerunische Intellektuelle hat mit seinen Schriften über den Begriff des Afropolitanismus neue Denkanstöße in der Wahrnehmung der afrikanischen Geschichte und Gegenwart geschaffen und ein Bewusstsein für die Vielfältigkeit der afrikanischen Kultur geschärft.“

Meistens als Einwand gegen die Objektivität des Denkens formuliert, bedeutet eine Trennung zwischen Theorie und Praxis,  dass ausgrenzende Strukturen geschaffen, oder ignoriert werden, denen das postkoloniale Denken gerade entgegenzuwirken versucht. So verunsichert Mbembe postkoloniale Strukturen durch seine Bücher und Vorträge, genauso wie durch seine Mitarbeit an Alphabetisierungskampagnen für die ländliche Bevölkerung in Kamerun. Sein analytischer Imperativ lautet: Politik von Unten.

Mit seinem Vortrag über eine globale bewusste Ethik, die sich aus der Verantwortung von Konsequenzen und nicht an der Schuld von Tätern und Täterinnen orientiert und abarbeitet, wird uns Mbembe am kommenden Mittwoch sicherlich auch Anstöße für das Denken auch in Deutschland bringen. Im Interview teilt Küpper mit: „In seiner Eröffnungsrede wird Achille Mbembe über den Begriff der Demokratie in einer Zeit, in der der Hyperkapitalismus den gesellschaftlichen Rhythmus bestimmt, sprechen, [denn er] sieht die Werte der Demokratie, der Freiheit und der Vernunft des Zusammenlebens in Gefahr. Er wird an unsere gemeinsame planetarische Verantwortung erinnern, die wir tragen müssen, wenn wir weiterhin zusammen auf der Erde leben wollen. Denn wie ist es um unsere Freiheit bestellt, wenn heute vielerorts Politiker den Protektionismus zur neuen Ideologie erheben?“

Aufgrund seiner eigenen Biographie wäre es interessant zu erfahren, wie Achille Mbembe konkret über die ethische Verantwortung Deutschlands bezüglich der kolonialen Besatzungszeit in Kamerun denkt. Um mit Sandra Küppers Einladung abzuschließen, die ich nur unterstützen kann: „Ich freue mich sehr, dass Achille Mbembe unser Festival, das sich im Kern mit dem Thema Hafen beschäftigt, konkret mit Fragen zu den Auswirkungen des Handels, eröffnet und damit zum ersten Mal in Hamburg auftritt.“

Zu den jüngsten Werken Mbembes, die auf Deutsch erhältlich sind, zählen Ausgang aus der langen Nacht. Versuch über ein entkolonisiertes Afrika (2016) und Kritik der schwarzen Vernunft ( 2014).

 

Logo „Theater der Welt“, © Theater der Welt

 

[1] Das schriftlich geführte Interview mit Sandra Küpper fand am 22. Mai 2017 durch Emailkorrespondenz statt.